
Cheyennes Welt
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Blogeintrag #6
Na toll. Mein Smartphone ist kaputt. Also, nicht so richtig kaputt, aber der Akku ist irgendwie immer alle. Ich kann den laden, so viel ich will – trotzdem hält der jedes Mal nur ungefähr einundzwanzig Minuten und dann geht der Bildschirm wieder aus. Voll mies, ey.
Dabei geht das einfach nicht, ohne Smartphone. Weil, da ist einfach alles drinne, was man so braucht, wenn man jung ist. Ganz in echt: Wenn ich nicht mehr wichtige Neuigkeiten gucken kann, wie soll ich dann mitreden? Vielleicht hat Shelley Mushroom von Ashgrove High ja einen neuen coolen Freund oder ihre Freundin Kelly Ashton ist mit voll den hippen Klamotten beim Shoppen gesehen worden … und das muss ich dann einfach wissen! Nämlich, man muss ja informiert bleiben, wenn man mit der Zeit gehen will. Das gehört mit zum Lifestyle. Sonst ist man voll uncool und kann gleich abends aufm Sofa zusammen mit Oma Rita die Beerdigung vom Papst angucken. Auf ZDF.
Das hab ich auch alles Mami erzählt, aber die hat bloß gesagt, ein neues Handy ist teuer und ich kann mir ja eins zum Geburtstag wünschen. Hallo? Geburtstag? Bis November dauert doch noch meeega lange. Bis dahin wächst mir ja schon Moos auf den Füßen, weil ich voll der Hobbit geworden bin, so ganz ohne TicTac und SnipClip.
Mann, Mami. Ich weiß ja, dass du nicht so viel Geld hast … Aber es gibt eben Sachen, die sind so krass wichtig, dass man einfach nicht warten kann!
„Bitte, allerliebste Mami“, hab ich deshalb am Wochenende voll flehentlich zu ihr gesagt, so mit gefaltigten Händen wie in der Kirche. „Ich schwör, ich ess auch nur noch Knäckebrot mit ganz dünn Schokocreme drauf. Oder, nee, warte: Ich geh jeden Tag nach der Schule mit zu Lotta und ess bei denen das komische Zeugs mit, das ihre Mama immer kocht. Dann musst du nicht mehr so viel einkaufen.“ Und dann hab ich ihr noch den Tipp gegeben, dass Chanell eben nur türkisen Glitzernagellack zum Geburtstag kriegt und nicht diesen komischen Meerjungfrauen-Badeanzug mit echten Schimmerschuppen. Den von ihrer Lieblingssendung aus dem Fernsehen. „Manchmal müssen eben alle in der Familie auch mal ganz dolle zusammenhalten.“
Eigentlich war das doch gar nicht so schwer zu verstehen, aber Mami hat trotzdem Nein gesagt. Boah, ey. So fies!
Aber wenn Mami nicht will: Wozu hat man denn einen Papi? Mein Papi hat ja sowieso viel mehr Geld, weil er immer Geschäfte macht. Ich weiß bei ihm bloß nie vorher, ob er gerade voll großzügig drauf ist oder ob er vielleicht schlechte Laune hat und rummeckert. Deswegen war mir ein bisschen aufgeregt zumute, als ich mit Chanells Handy bei ihm angerufen hab, und meine Stimme war auch so piepsig. „Huhu, mein allerliebstes Papilein.“
Aber als ich dann erzählt hab, dass ich voll den Notfall hab, weil, ohne Smartphone kann man ja fast nicht leben, da hat er gesagt: „Na, dann rate mal, was ich gerade direkt neben mir liegen hab.“
Hä? Woher sollte ich das denn wissen? Aber weil ich gern ein Smartphone von ihm wollte, hab ich so getan, als würde ich überlegen und ich dachte ja auch, wenn ich nichts mehr sag, dann sagt er wieder was, aber er hat auch nichts gesagt und da hab ich irgendwann „Playmobil?“ gefragt.
„Ach Quatsch“, hat er geschimpft und ich dachte schon, jetzt ist er böse, aber dann hat er so trumpfilierend weitergeredet: „Ein CiaoOmi Notme 15 HyperBS mit 8 Gigabyte MedioFish Hello G66 Ultra und Groaning Gorilla-Panzerglas!“
Ähm. Wie? Sollte das vielleicht … War das vielleicht ein …? Mein Herz hat angefangen zu wummern und ich hab gehofft, dass er weiterredet. Hat er aber nicht.
Deshalb hab ich „Hä?“ gefragt.
„Das Neueste vom Neuen!“, hat er geschrien, voll begeistert. „Mobile Technologie vom Feinsten. Der heißeste Scheiß! Vom Lastwagen gefallen – originalverpackt! Ohne Gnade.“
Da hat mein Herz noch doller gewummert – aber sowas von! Weil ich mir nämlich gedacht habt, dass das wahrscheinlich vielleicht wirklich ein Smartphone ist. „Und … und das schenkst du mir, Papilein?“
„Jupp. Das schenke ich dir.“
Ich hab voll nach Luft geschnappt. „Boooah, ey, krass cool. Daaaanke! Das ist sooo lieb von dir! Hammermegastabil!“
„Tja“, hat Papi gesagt, irgendwie voll zufrieden. „So bin ich nun mal. Immer großzügig zu meinen Töchtern. Du bekommst das Smartphone sofort, wenn du Rocco zwanzig Mal babygesittet hast.“
„Waaas? Nee!“ Also, echt, plötzlich hatte ich voll das stickige Gefühl im Hals. So, als ob jemand den zusammendrücken würde. Deswegen konnte ich nur noch rumkrächzen. „Aber … nee … Das geht nicht … echt nicht, Papi, weil … Ich brauch das ja jetzt, weil mein Smartphone ist jetzt kaputt …“ Außerdem ist das krass anstrengend, auf meinen kleinen Halbbruder Rocco aufzupassen. Der ist nämlich erst zweieinhalb und schreit immer so viel rum und macht nie das, was man will.
Aber da hat Papi erklärt, so funktioniert das nun mal im Geschäftsleben. „Keine Leistung – keine Gegenleistung. Du kannst dich bei mir bedanken, dass ich dir das beibringe. Ich sorge jedenfalls dafür, dass mal was aus dir wird.“
Da hab ich auf den roten Telefonhörer gedrückt und dann war Papi weg und wahrscheinlich war das keine gute Idee, weil, so krieg ich ja nie im Leben ein Smartphone von ihm.
Aber trotzdem: Was bildete der sich eigentlich ein? So geht das doch überhaupt nicht mit Geschenken. Ich war sowas von stinkig, ey!
Blödkack. Mami wollte mir kein Handy schenken und Papi auch nicht. Und deshalb musste ich auf der Stelle zu Lotta. Weil, bei sowas kann nur die allerbeste Freundin helfen. Lotta weiß nämlich, wie das ist, wenn die Eltern einem kein Smartphone schenken wollen. Weil, ihr Papa ist voll altmodisch und deshalb hat sie überhaupt erst zu Weihnachten ihr allererstes gekriegt.
Ich bin sofort zu Lotta gerannt, ohne vorher anzurufen, aber ich hab ja sowieso kein Smartphone. Lotta hat sich auch voll gefreut, mich zu sehen und klar wollte sie mir helfen. Beste Freundin eben!
„Du brauchst einen Job“, hat sie mir erklärt. „Einen richtig guten. Mit dem du ganz viel Geld verdienst.“ Dann hat sie angestrengt geguckt. So, als müsste sie erst mal was überlegen.
Ey, Lotta. Wovon redest du? „Was denn für einen Job? Meinst du sowas wie Ärztin?“
Da musste sie kichern. Sie meinte nämlich was anderes, auch wenn sie selbst nicht wusste, was.
Ärztin fand ich sowieso blöd. „Ich will lieber Sängerin oder Schauspielerin werden“, hab ich gejammert. „Oder was mit Tieren machen.“ Dabei hab ich sie so flehentlich angeguckt. „Meinst du, ich kann vielleicht ganz schnell voll die berühmte Influencerin werden?“
Leider hat Lotta auch nicht sowas gemeint. „Vielleicht kannst du ja Zeitungen austragen. Oder mit Hunden Gassi gehen oder alten Frauen beim Einkaufen helfen.“
„Mann, Lotta.“ Also echt, was waren das denn für dämliche Jobs? „Dann kann ich ja auch gleich Rocco babysitten. So wird man doch nie im Leben ganz schnell reich!“ Ich glaub, Lotta weiß gar nicht, wie teuer so ein Smartphone ist. „Meinst du, ich kann was bei der Bank leihen? Manche Leute machen das … wenn sie ein Haus kaufen wollen oder so.“
Lotta hat den Kopf geschüttelt. „Nee. Du könntest höchstens eine Bank überfallen, mit Strumpfhose über dem Kopf.“ Da mussten wir beide lachen und dann sind wir rausgegangen, wo die Sonne schien. Wir sind zur Eisdiele gelaufen und Lotta hat mir ein Eis ausgegeben. Weil, ich musste ja sparen. „Aber nur zwei Kugeln“, hat sie gesagt. „Für mehr reicht mein Geld nämlich auch nicht.“
Ich hab Schoko-Mint und Schlumpf-Geschmack genommen und Lotta Honigmelone und Erdnussbutter. Danach haben wir erst mal Eis gegessen und nicht mehr über Geld und solche Sachen geredet.
Und als ich dann abends wieder nach Hause kam, war Otmar da. Otmar ist ja Mamis Freund und er ist nett. Und heute war er sogar ganz besonders nett, so richtig mit Überraschung!
„Guck mal, was Otti für dich hat, Cheyenne“, hat Mami ganz aufgeregt gesagt, als ich ins Wohnzimmer gekommen bin. Sie ist sogar ein bisschen auf dem Sofa auf und ab gehüpft und hat in die Hände geklatscht. Also, da ist mir ganz schön gluckerig im Bauch geworden.
Und zwar weil: Otmar hatte ein Smartphone für mich! „Von meiner Schwester“, hat er gesagt. „Es ist schon ein paar Jahre alt, aber sie braucht es nicht mehr, daher kannst du es haben.“
Boah, ey! Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Am liebsten wär ich Otmar um den Hals geflogen, aber irgendwie wär das voll komisch gewesen, weil, er ist ja nicht mein Papi, und deshalb hab ich nur rumgezappelt, weil ich mit einem Mal voll zappelig war und hab „Oooooh! Daaanke, Otmar!“ gerufen. „Das ist sooo krass cool, voll lieb … daaanke!“ Und dann haben Mami und Otmar gelacht und er hat mich doch noch umarmt und ich ihn auch. Das war übrigens gar nicht so komisch, wie ich gedacht hatte.
Aber ganz in echt, ich bin total froh, dass Mami Otmar im Internet gefunden hat! Auch wenn er ganz normal aussieht und auch nicht reich ist – er ist einfach meganett! Und das ist ja viel wichtiger als gut aussehen und Geld haben. Weil, nämlich, Mami ist viel besser drauf, seitdem sie ihn kennt, und ich war gerade jetzt in diesem Moment auch krass gut drauf!
Nur Chanell hat ein bisschen rumgemault. „Ich will aber auch ein neues Handy.“ Und das, obwohl sie sowieso immer nur so blöde Kleinkinderspiele auf ihrem Smartphone spielt.
Mann, ey, Chanell. Dafür kriegst du doch zum Geburtstag einen Meerjungfrauen-Badeanzug mit echten Schimmerschuppen aus dem Fernsehen – und nicht bloß türkisen Glitzernagellack.
Manchmal muss man auch mal ein bisschen dankbar sein. Das ist gar nicht so schwer.